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Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Orchester-Werkstatt des Landesmusikverbands Rheinland-Pfalz

Wie auch im letzten Jahr fand im Mai 2019 wieder ein Wochenend-Workshop des Landesmusikverbandes statt. Hatte im letzten Jahr Thiemo Kraas einige seiner Werke einstudiert, stand in diesem Jahr des Landesmusikdirektor Maro Lichtenthäler am Pult. Horst Mayer, der beim Modernen Blasorchester Oppau (MBO) Klarinette spielt, nahm an beiden Veranstaltungen teil und schildert hier die Eindrücke des letzten Workshops

Ein Bericht von Dr. Horst Mayer, Klarinetten-Spieler im Modernen Blasorchester Oppau (MBO)

Im letztjährigen Workshop stand Thiemo Kraas, dem MBO gut bekannt vom letzten Weihnachtskonzert („Mentis“), als Gastdirigent vor dem Projektorchester. Er hatte eine Reihe eigener Stücke vom Schwierigkeitsgrad 3-4 vorgelegt, unter anderem „Lignum“ oder die „80-er Kult(tour)“, ein Rückblick auf Schlager der „Neuen Deutschen Welle“. Wie es jetzt anscheinend Mode ist („Divine Comedy“), durfte auch hier vom Orchester mitgesungen (oder mitgegrölt?) werden. Es war Genuss-Musizieren vom Feinsten in entspannter Atmosphäre.

Natürlich meldete ich mich auch dieses Jahr wieder an, aber als ich das Programm sah, erfasste mich das blanke Entsetzen. Von wegen Mittelstufe …. der Gastdirigent, Marco Lichtenthäler, wollte uns anscheinend etwas anspruchsvollere Stücke vorführen.

 

Also neue Beißgummis auf die Klarinette und durch!

Dr. Horst Mayer (Foto: Sabine Köstlmaier)
Dr. Horst Mayer (Foto: Sabine Köstlmaier)

In Annweiler traf ich am Freitagabend dann auf viele bekannte Gesichter, wie die Organisatoren Manfred und Gabi („MuG“) Schneider, Urgesteine der Pfälzer Blasmusik, meine liebe Freundin Carola auf der 3. Klarinette oder Simone, die immer lächelnde Flötistin und Schlagwerkerin.

 

Nach einer kurzen Begrüßung durch Marco gab es zum Auftakt wenigstens ein Heimspiel, nämlich den im MBO auch wohl bekannten Konzertmarsch „Arsenal“ von Jan van der Roost. Hier machte der Dirigent von seinem Interpretationsrecht Gebrauch und führte uns mit Tempo 120 statt der vorgegebenen 106 durch das Stück.  

So motiviert ging es dann in das Genre der Filmmusik über.  „Hook“ (Peter Pan) von John Williams in der Bearbeitung von Hans von der Heyde lag auf dem Pult, mit etwas Übung sicherlich auch für uns machbar, aber vom Blatt eine gewisse Herausforderung (leider werden die Noten vorher nicht versendet). Es lief dann aber doch nicht so schlecht, und wir gingen zum Abschluss des Abends zum ersten Höhepunkt über – einem Klassiker der sinfonischen Blasmusik von dem uns ebenfalls gut bekannten Alfred Reed, nämlich die „Hounds of Spring“.  Hier hatte ich mir die Noten über meine Connections schon vorher besorgt, aber neben „Divine Comedy“, Holst, „Persis“ blieb es doch nur beim Reinschnuppern. Gnädigerweise startete Marco im lyrischen Moderato-Teil, der uns unmittelbar für das Stück begeisterte.  Unter seiner Leitung probten wir sehr konzentriert, das Stück wurde registerweise souverän seziert und nach kurzer Zeit stellte sich die erste Gänsehaut ein – nicht überraschend, denn Thema dieses Teils ist die „junge Liebe“. Der darauffolgende furiose Rest soll die ungestümen Frühlingsgefühle der Jugend musikalisch nachempfinden. Nachdem dieser bis auf wenige Läufe auch nicht so schlecht lief, fühlte ich mich auch wie ein „Jüngling“ und wir gingen beschwingt in die „Après-Spring-Party“, wo wir den Abend mit alten und neuen Musikverrückten ausklingen ließen.

 

Der nächste Morgen startete dann genauso feurig. Marco hatte vor Jahren die Uraufführung eines Auftragswerks von Otto M. Schwarz dirigiert – „The White Tower“ – eine Anspielung auf das nette Städtchen Weißenthurm im Norden unseres Bundeslandes. Eine Räuberbande möchte einen Schatz stehlen, scheitert dabei aber grandios und es gibt ein Happy End für die Bewohner. Die Handlung mag zwar etwas verrückt sein, aber das Stück ist einfach bombastisch, wozu das Schlagwerk einen nicht unwesentlichen Beitrag leistet. Auch wenn wir „nur“ 3-4 statt der erforderlichen 8 Schlagwerker zu Verfügung hatten, vollbrachten diese mit vollem Einsatz Koordinationswunder, woran der trockene Humor des Dirigenten nicht unwesentlichen Anteil hatte.  Ich war auch einigermaßen zufrieden, aber für die 1,5 Seiten Presto-Staccati wird es in diesem Leben wohl nicht mehr reichen, dafür hat man die Routiniers der 1. und 2. Klarinette. Es war sehr deutlich, dass Marco das Opus bis in den letzten Winkel kennt und emotional stark mit ihm verbunden ist. Dies zog uns natürlich auch mit, die sehr detaillierte Probenarbeit brachte ihre Früchte und beim ersten vollständigen Durchlauf waren wir schon sehr zufrieden.

 

Nach dem Mittagessen spielten wir einen weiteren Leckerbissen an – with „Heart and Voice“ von David Gillingham.  Auch Dominique, unser Dirigent im MBO, hätte seine Freude daran, gibt es doch einige Schmankerl wie einen 6/16-Takt. Wir legten es aber schweren Herzens beiseite (für mich wäre das Stück 2-3 Nummern zu groß) und konzentrierten uns auf die Verfeinerung der bisher geprobten Stücke.

 

Nach dem Abendessen gab es ein einstündiges Intermezzo: zwei Probedirigate, die genauso faszinierend waren wie bei unseren Veranstaltungen mit den Mannheimer Studenten. Besonders beeindruckend war Volker von der 2. Klarinette, der notgedrungen die Leitung einer kleinen Gruppe übernommen hatte, um deren Auflösung zu verhindern, aber noch nie einen Dirigentenlehrgang oder ähnliches besucht hatte. Natürlich gab es unzählige Hinweise von Marco Lichtenthäler, beispielsweise zur Ergonomie des Dirigierens, aber er bescheinigte ihm auch, dass andere selbst nach Abschluss des C-Kurses nicht eine solche Leistung an den Tag legten. Auch der nächste Kandidat, Benedikt vom Schlagwerk, überzeugte, erhielt aber natürlich auch unzählige wertvolle Hinweise. Wir mussten besonders über einen abgespreizten kleinen Finger beim Dirigieren schmunzeln.

 

Nach einer weiteren gemütlichen Nach(t)sitzung gab es am nächsten Morgen noch den Feinschliff und den Gesamtdurchlauf als „Abschlusskonzert“.

 

Fazit: Trotz der anfänglichen Bedenken war der Workshop für mich ein voller Erfolg. Das Konzept von Marco Lichtenthäler, uns weniger gespielte, aber schöne und anspruchsvolle Musik nahezubringen, konnte er überzeugend umsetzen. Für jeden Musiker, der Spaß haben möchte, gibt es in jeder Schwierigkeitsstufe Betätigungsfelder, besonders wenn man bereit ist, auch mal 5 gerade sein zu lassen. Ich werde auf alle Fälle im nächsten Jahr wieder dabei sein. 

 

Na dann, vielleicht sind wir vom MBO ja in 2020 (13.-15. März) in Annweiler in großer Besetzung vertreten!?

 

Text: Dr. Horst Mayer